Das kleine Wildschwein – Kira

Meine Geschichte erzählt von der Leonbergerhündin Kira, die im Februar 2006 als Kleinste mit knapp 300g Gewicht das Licht dieser Welt erblickte. Glücklich - denn sie hatte einen nicht optimal verlaufenen Kaiserschnitt überlebt – im Unterschied zu vier ihrer kräftigeren Wurfgeschwister. Da fuhren wir durch die nebelige Winternacht – auf meinem Schoß ein Karton mit drei „schweren“ Brüdern und der „halben Portion“. Zu Hause alles in Aufregung. Keine 2 Tage vergingen und das Telefon klingelte. Der Anrufer meldete sich aus Sachsen und sagte: „Wir möchten die kleine Hündin“. Auf mein Erstaunen erklärte mir Herr Gutmann (Name geändert), dass auch seine frühere „Leonbergerin“ die kleinste im Wurf war. Unsere Kleine hatte also gleich eine feste Adresse für die Zeit „danach“ und zog – ähnlich ist es ja auch im Familienleben – noch vor den Brüdern von dannen. Und bei den Gutmanns – eigene Kinder bereits aus dem Haus - erwartete sie alles, was Hund zum perfekten Leben braucht – überall dabei und immer mittendrin sein. Schon im Sommer auf Thüringenurlaub kam sie uns besuchen. Sie hat eine ganz dumme Marotte, erzählte mir Frau Gutmann: „Durch den Garten rennen, an mir vorbei, allerdings nicht, ohne mich ins Hinterteil zu zwicken, und das ganze Spiel nicht nur einmal“. Und „was denn das eigentlich für ein Leonberger wäre – wohl eher eine Kreuzung mit einem Wildschwein – und im Spaß, manchmal hat sie ihren Mann gefragt, ob es eigentlich eine Umtauschklausel im Kaufvertrag gäbe....“ Sie besuchten uns auch im Herbst und im nächsten Sommer und einmal kam eine Urlaubskarte aus weiter Ferne. Nur im letzten Jahr klappte es nicht mit einer Reise zu uns. Kira hatte Probleme mit einem Hinterlauf, den sie hin und wieder vergaß „mit zu nehmen“. Alle waren besorgt und Herr Gutmann ließ Kira in der „Röhre“ untersuchen. Ein äußerst seltener Defekt an der Wirbelsäule wurde dabei festgestellt und kurz darauf erfolgreich operiert. Wahrscheinlich schon im embryonalen Stadium war Gewebe an der Wirbelsäule festgewachsen, im Laufe der Zeit größer geworden und behinderte die Nervenbahnen. An die aufwendige Operation schloss sich eine lange Reha - Phase an. Kira musste das Laufen neu erlernen. „Zweimal wöchentlich fahre ich nach Arbeitsschluss mit Kira zur Unterwasserbehandlung auf dem Laufband“ (bei einer  Physiotherapeutin – ca. 80 km vom Wohnort entfernt). „Inzwischen brauchen wir zu Hause keine Windeln mehr“ (denn infolge des Eingriffes war Kira in der ersten Zeit nicht mehr in der Lage, normal ihr Geschäft zu verrichten).  Das alles waren gute Nachrichten um die Weihnachtszeit. Bereits zu Ostern konnte unser „kleines Wildschwein“ wieder hunderte Meter selbstständig laufen und einer Wochenendfahrt via Thüringen für den kommenden Sommer stand nun nichts mehr im Wege. Nun könnte unsere Geschichte ein glückliches Ende finden: „... und alle lebten glücklich und zufrieden ... und das Wildschwein Kira jagt über Wiesen und Felder und immer den Wolken hinterher ...“  Mein Telefon klingelt. Es ist Herr Gutmann - ich höre die Tränen in seiner Stimme. Kira lebt nicht mehr, sie wurde bei einer letzten Untersuchung in der Narkose gelassen. Der „gutartige“ Tumor war nicht weg, wuchs größer als zuvor, eine erfolgreiche Operation nicht mehr möglich. Schmerz fühlte Kira auch in ihrer letzten Zeit nicht. Sie lief oder eher - schleifte sich – weiter, ohne zu merken, dass die Beine gar nicht mitwollten...

Sie finden, es ist ein sehr trauriges Ende?  Leider Ja. Eine Geschichte über Glück und Unglück im Leben – und die kleinen Dinge, die so wichtig sind und unser Leben ausmachen.